Einer Freundin von mir wurde vor kurzem von einer ihr bis dahin unbekannten Dame empfohlen, in ihre besonders schönen naturblonden Haare Strähnen färben zu lassen, um ihre Weiblichkeit zu unterstreichen. Dieser Rat kann eine/n freilich zu sehr tiefsinnigen Überlegungen veranlassen:
Sind Frauen mit gesträhnten Haaren weiblicher? Wenn ja, heißt das dann folglich, dass ungefärbte Haare eine Abkehr von der Weiblichkeit sind?
Nun ist es nun mal so in unserer Gesellschaft und in anderen Kulturen wohl noch viel mehr, dass Frauen gern weiblich wahrgenommen und Männer maskulin gesehen werden wollen. Nur wo wird männliches Einfühlungsvermögen weibisch und wo wird Emanzipation unfeminin?
Ich selbst bin Mutter und Unternehmerin. Einerseits ziehen mein Mann und ich vier Kinder groß, andererseits darf ich Ihnen beim Einrichten Ihrer Wohnungen, Häuser, Agenturen, Kanzleien, Ordinationen und anderen Immobilien behilflich sein. Beide Tätigkeiten machen mich aus, sie erfüllen mich, auf keines der beiden möchte ich verzichten.
Dennoch ist es sehr oft ein Thema. Während mein Ehemann, ebenfalls Unternehmer, noch nie gefragt wurde, wie es ihm gelingt, Familie und Beruf zu vereinbaren, kommt es in Gesprächen über mich doch recht häufig auf. Die direkten Fragen und Ausführungen mir gegenüber sind zumeist eher schmeichelhaft. Sie rücken mich in Richtung Wonderwoman. Charmant.
Im Hintergrund vernehme ich aber ganz andere Schwingungen:
Kann man mit vier Kindern ausreichend Zeit aufbringen, um eine erfolgreiche, verlässliche und zielorientierte Interior Designerin zu sein? Oder handelt es sich vielleicht nur um eine Beschäftigungsstrategie, damit der gelangweilten Hausfrau nicht die Decke am Kopf fällt? (Letzteres widerlegen wohl meine Projekte.)
Oder anders:
Wenn man selbständig ist, in einem doch recht Zeit aufwendigen Beruf, der sowohl viele KundInnengespräche als auch Planungszeiten, Absprachen mit Handwerkern und Aufbautage beinhaltet, ist Frau dann überhaupt in der Lage, eine gute Mutter zu sein?
Ich sage: Yes, we can. Frauen können im Geschäftsleben reüssieren und dabei Mütter sein, die ihren Kindern berufliche Entfaltung vorleben sowie ein glückliches Familienleben ermöglichen.
Väter können das auch. Nur ist es bei ihnen Vaterschaft. Moderne Väter haben es möglich gemacht, dass Frauen nicht nur KKK (Kinder, Küche, Kirche) als Lebensinhalt haben. Sie sind aktive Väter und geben uns damit die Möglichkeit, Geschäftsfrauen zu sein. Ohne sie, diese Väter, hätten wir uns nicht ohne Qualitätsverlust für unseren Nachwuchs emanzipieren können.
Jeder Lebensweg birgt Aspekte des Verzichtes in sich. Und ebenso bringt er Möglichkeiten und Erfüllung mit sich.
Die Gratwanderung, wie viel Zeit für welchen Teilbereich aufgewendet wird, ist die Herausforderung des Alltags, weil es oft viel und schwer ist und ich leider nicht Wonderwoman bin.
Mein Leben teilt sich in Phasen: Manchmal bin ich so intensiv am Arbeiten eines Geschäftsprojektes mit Deadlines und Koordinationsterminen, dass ich kaum zum Schlafen komme.
Manchmal unterstütze ich eines unserer Kinder voll und ganz, wenn es vor einer wichtigen Prüfung steht oder einfach mein Beisein beim Großwerden braucht.
Und manchmal will ich nur Ehefrau sein und flüchte mit meinem Mann vor Beruf und Kindern in ein paar gestohlene Tage Zweisamkeit, um nicht zu vergessen, dass auch wir zwei sehr wichtig sind.
All das setzt Organisation und Disziplin voraus sowie verlässliche Menschen um uns.
Wer eine sechsköpfige Familie gesund ernähren, die Lernzeiten und Freizeitaktivitäten von vier unterschiedlich alten Kindern mehr oder weniger reibungslos koordinieren kann, ist durchaus auch imstande, eine Ordination termingerecht eingerichtet zu haben.
Das Leben als Mutter ist dem einer Interior Designerin sehr ähnlich: Hartes Verhandeln, Konsequenz und Durchsetzungsvermögen sind ebenso gefragt wie die sogenannten Soft Skills: Einfühlungsvermögen und Sozialkompetenz.
Nun stellen sich natürlich weitere Fragen, wenn wir schon bei der Rolle der Geschlechter sind:
Richten Frauen weiblich ein und Männer männlich?
Gibt es Farben für Männer und Stoffe für Frauen?
Wie weiblich darf ein Mann wohnen, wieviel männliche Einrichtung erträgt eine Frau?
Auf diese Fragen wird jede/r andere Antworten finden.
Ich für mich möchte folgendes sagen:
Wohnen soll sinnlich sein. Ein Gemisch der richtigen Materialien sorgt sowohl für haptisches Wohlbefinden als auch die richtige Raumakustik.
Die dem Charakter und den Vorlieben der Wohnenden entsprechenden Farben mögen in ihrer Auswahl für einen Feel Good Faktor sorgen. Die Einen lieben die klare Helligkeit des Nordens, die Anderen die sonnigen Farbtöne des Südens. Eine gekonnte Kombination ist auch nicht zu vernachlässigen.
Natürlich kann man auf Wunsch ein Schlafzimmer mit Volants oder blumigen Spitzenvorhängen bewusst weiblich zeichnen. Oder ein Herrenzimmer in dunklen Farben und Möbeln der Kolonialzeit sehr maskulin erscheinen lassen. Aber im Prinzip sehe ich Einrichtung doch als gelungene Kombination weiblicher und männlicher Komponenten zu einem mehr oder weniger übergeschlechtlichen Gesamten.
Blumenmotive können sehr passend und auflockernd in einem Wohnzimmer sein, Blockstreifen in schwarz-weiß ein Bad dramatisch wirken lassen. Und beide Räume werden von Mann und Frau benützt.
So sehe ich übrigens auch Haare, um den Kreis zu schließen:
Meine oben genannte Freundin trägt sie lang, schmeichelhaft um eine feminines Gesicht gelegt. Sie spricht wie eine Frau (diese besonders toll), sieht sehr weiblich aus und benimmt sich auch so. (Sie ist übrigens Mutter und Geschäftsfrau.)
Mein Sohn trägt naturblondes Haar als Undercut, kurz und knackig. Er ist kräftig und maskulin, eher kantig im Auftreten.
Nicht Strähnchen entscheiden über Weiblichkeit oder Männlichkeit, sondern der Gesamteindruck zählt.