Wir kennen die Fabel von Aesop, die Mahnung vor dem Kniefall vor der Schmeichelei:
Der Rabe ergattert ein Stück Käse, das der Fuchs gern hätte. Der Fuchs schmeichelt so lange dem schönen Gesang des Raben bis dieser, ansetzend zum Vortrag, den Mund öffnet, der Käse herunterfällt, und der Fuchs ihn zufrieden verspeist.
Meine Geschichte setzt woanders an, ich lehne mich also an Aesop, meine Moral ist aber eine andere:
Als meine Tante Poldi ihren Hausstand auflöste, um sich in betreutem Wohnen einzurichten, gab es allerhand zu vergeben. Dies und das, verpackt mit Erinnerungen und persönlichen Bedeutungen, fanden neue Besitzer. Das Eine wegen seiner Nützlichkeit, das Andere aufgrund von Schönheit.
„Have nothing in your house that you do not know to be useful, or believe to be beautiful.“
William Morris (Designer, Artist and Poet, England 1834 – 1896)
Was sichtlich niemand brauchte, war ein kleiner Rabe, handgefertigt aus Keramik, ca. 1960er Jahre, wohl zur Aufbewahrung von Zahnstochern gedacht. Er fand seinen Weg zu mir, ein vorlautes Tier, nahezu eitel in seinem Geschrei, man betrachte seinen weit gespreizten Schnabel.
Uns verband etwas, wohl eine Erinnerung:
Jahrelang trieb ein Rabe in unserer Gasse sein Unwesen. Wir nannten ihn den „egoistischen Single“. Vögel seiner Art leben gewöhnlich in Paaren, er nicht, wir kennen seine Vorgeschichte nicht. Er lebte ganzjährig hier, war sehr dominant im Auftreten und liebte es, den Inhalt übervoller Mistkübel vor Eintreffen der Müllabfuhr auf der gesamten Straße zu verteilen.
Er war es, der unseren jungen Kater wochenlang in Angst und Schrecken versetzte. Gerade aus dem Tierheim in unseren Familienverband geholt, hatte er noch nie zuvor den freien Himmel gesehen, war also laut Fachjargon eine „Wohnungskatze“. Als er sich langsam den ihm gefährlich erscheinenden Libellen und anderen Bedrohungen aus der Welt der Insekten zu stellen wagte, senkte sich sogleich der Rabe im Sturzflug auf den Kater, der, um sein Leben fürchtend, schnell wieder in die Gemäuer unseres Hauses flüchtete. Eben dieser furchtsame Kater fand aber über die Wochen zu seiner Natur als Raubtier und das führte zum unfreiwilligen Ableben des „egoistischen Singles“.
Zurück zur Keramikfigur:
Bis vor kurzem stand der Keramikrabe nun allein auf unserem schwarzen Pianino. Andere schöne Dinge umgaben ihn, doch irgendwie „beziehungslos“. Eines Tages stieß mir in der Auslage der Galerie La Parete in der Wiener Tuchlauben ein orangefarbener Fuchs von Anzengruber Keramik ins Auge. Leopold Anzengruber, geb. 1912 in Steyr in Oberösterreich, übernahm 1948 eine Keramikwerkstatt in der Böcklinstraße und bald hatte er eine große Anhängerschaft seiner Keramiken, zu der auch ich heute noch zähle. Für mich war er ein großer Künstler auf seinem Gebiet.
Es wurde nicht lange verhandelt, Anzengruber, Fuchs, orange wie der Frühling, er war mein. Und zu Hause fanden sich der Fuchs und der Rabe. Als wäre es immer so bestimmt gewesen, als hätte es Aesop schon gewusst.
Mit dem Wohnen und Einrichten, mit den Dingen, die wir lieben, die wir meinen zu brauchen, mit denen wir uns umgeben, ist es wie im Leben allgemein: Es ist ein Prozess. Mit irgendetwas fängt es an, dazwischen findet Eines das Andere. Es wird umgebaut, adaptiert, dazugebaut. Wohnen ist Bewegung. Wir haben etwas, dazu finden wir etwas Neues, oder Altes, das nur für uns neu ist. Wächst die Familie, vergrößern sich die Schrankräume. Wächst das Budget, macht Möbelmarkt Maßarbeit vom Tischler Platz. Viele Dinge begleiten uns für immer, werden Teil unseres Lebens, andere schenken wir her, weil wir den Bezug verloren haben.
So sehe ich meinen Beruf: Ich begleite meine KundInnen auf ihrem Weg des Wohnens, helfe beim Zusammenfügen. Die Bausteine sind ein Teil von Ihnen, Sie haben sie schon oder spüren, welche Sie noch brauchen. Ich unterstütze beim Zusammentragen und Aufbauen. Das macht mich froh, ich bin von Herzen gern eine Begleiterin auf Ihrem Weg des Wohnens.